Wer besonders sorgfältig ist, verhält sich langweilig und ist alles andere als spontan, so lautet ein Vorurteil. Doch auf den zweiten Blick stellt sich heraus, dass es durchaus Sinn macht, mit Sorgfalt ans Werk zu gehen. Das empfiehlt zumindest der Persönlichkeitspsychologe Alexander Stahlmann von der Universität Zürich.
Die Eigenschaft «Sorgfalt» ist meist positiv belegt. Doch bekanntlich gibt es auch zu viel des Guten. Stehen wir uns also selbst im Weg und vertrödeln unnötig Zeit, wenn wir besonders sorgfältig durch den Tag gehen? Alexander Stahlmann, Forscher am Psychologischen Seminar der Universität Zürich, winkt ab: «Man kann gar nicht übersorgfältig sein.» Was wir als übertriebene Sorgfalt kritisieren, sind andere, allenfalls problematische Persönlichkeitseigenschaften wie Ängstlichkeit, die sich in Kombination mit Sorgfalt zeigen. Die Eigenschaftspsychologie kennt insgesamt 30 verschiedenen Facetten, zu einer gehört Sorgfalt. All diese Eigenschaften wirken bei Menschen in stärkerer oder schwächerer Ausprägung. In ihrer individuellen Konstellation wirken sie entsprechend unterschiedlich. Ein paar Beispiele zeigen, dass sich Sorgfalt im Alltag durchaus lohnt.
Gut geplant und trotzdem spontan
Im Sommer zwei Wochen an die Ostsee zum Baden, im Winter zehn Tage ins Engadin zum Langlaufen: Wer als Stammgast seine Ferien jahrein, jahraus gleich verbringt, hat vermutlich seinen Aufenthalt schon Monate im Voraus reserviert und sorgfältig die Zugverbindungen herausgesucht. Doch wer daraus schliesst, dass ausgeprägte Sorgfalt beim Reisen jede Spontaneität abwürgt, liegt falsch: Dass immer dasselbe Ferienziel angesteuert wird, hängt eher mit einem Mangel an Offenheit für Erfahrungen zusammen, erklärt Alexander Stahlmann. Eine Ferienplanung, die zugleich sorgfältig als auch offen für neue Erfahrungen ist, wäre beispielsweise, seinen Koffer so zu packen, dass am Ferienort spontane Tagesausflüge möglich sind, sei es ein Abstecher an den Strand oder eine Klettertour.
Beschweren mit Erfolg
Der streng riechende Hund der Bürokollegin oder das nervtötende Geklimper des Wohnungsnachbarn: Es gibt unzählige Gelegenheiten, sich über Zeitgenossen aufzuregen. Doch bevor man loslegt, um seinen Unmut zu bekunden, lohnt es sich, seine Kritik sorgfältig vorzubereiten. Am besten stellt man sich zuerst folgende Fragen: Was ist überhaupt das Problem? Ist man selbst womöglich übersensibel oder schlecht gelaunt? Oder hat man selbst Macken, die anderen – und womöglich genau diesen kritisierten Personen – auch auf den Geist gehen? Hat man sich entschieden zu reklamieren, sollte man das Vorgehen planen: Will man persönlich vorstellig werden? Wie kann das Gegenüber ohne Gesichtsverlust reagieren? Welche Argumente haben Priorität? Und welches Ziel verfolgt man? Wer sich sorgfältig auf seinen Auftritt vorbereitet, hat bessere Chancen auf einen Erfolg.