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Was es braucht, bis der Bahnersatzverkehr ins Rollen kommt

Simon Gemperli, Leiter Abteilung Produkt bei der SZU, erklärt im Gespräch, was im Hintergrund alles nötig ist, bis ein Bahnersatzverkehr den Betrieb aufnehmen kann.

Zum Schutz vor extremen Hochwassern für das untere Sihltal und die Stadt Zürich baut der Kanton Zürich zwischen Langnau am Albis und Thalwil einen Entlastungsstollen. Dank diesem kann Hochwasser von der Sihl direkt in den Zürichsee geleitet werden. Mitte April starteten die Tunnelbohrarbeiten für den Stollen. Das Ausbruchmaterial wird dabei von der Baustelle im Sihlwald mit der Bahn abtransportiert. Um einen sicheren Verlad des Ausbruchmaterials auf die Schiene zu gewährleisten, wurde im Bereich der Baustelle die Fahrleitung demontiert. Daher müssen wir den Personenverkehr der S4 auf der Teilstrecke Langnau-Gattikon–Sihlwald vom 15. April bis und mit 4. Dezember 2024 einstellen. Zwischen Langnau-Gattikon, Bahnhof und Sihlwald, Bahnhof verkehren während dieser Zeit in beide Richtungen Bahnersatzbusse. Die Bahnersatzbusse bieten in Langnau-Gattikon direkte Anschlüsse auf die bzw. von der Sihltalbahn S4. Im Gespräch erklärt Simon Gemperli, Leiter Abteilung Produkt bei der SZU, was im Hintergrund alles nötig ist, bis ein Bahnersatzverkehr den Betrieb aufnehmen kann.

Detailliertes Pflichtenheft für die Ausschreibung

Mit diesem Bahnersatzangebot beschäftigen sich Simon Gemperli und sein Team nicht erst seit diesem Frühling, sondern bereits seit dem Frühling 2023: «Da es sich in diesem Fall um einen sehr lange andauernden Ersatzverkehr mit den entsprechenden Kosten handelt, mussten wir diesen öffentlich ausschreiben». Dafür wiederum musste ein sogenanntes Pflichtenheft aufgesetzt werden, welches sämtliche Details des Auftrages definiert. Simon Gemperli: «Im Pflichtenheft definieren wir unter anderem die Kapazität der Fahrzeuge, die eigensetzt werden, über was für Informationssysteme die Fahrzeuge verfügen müssen, welche Strecke gefahren wird, welche Haltestellen bedient werden und natürlich auch, zu welchen Zeiten der Ersatzbus verkehrt.» Selbst wo die Fahrzeuge während der Nacht abgestellt werden, muss definiert sein. Wichtig ist aber beispielsweise auch, dass das Fahrpersonal den Reisenden bei Nachfrage Auskunft zu Anschlussverbindungen geben kann oder in welchem Rhythmus die Fahrzeuge gereinigt werden.

Zwar dauert der Ersatzverkehr zwischen Langnau-Gattikon und Sihlwald mit rund siebeneinhalb Monaten aussergewöhnlich lange, dafür präsentiert er sich aus organisatorischer Sicht gemäss Simon Gemperli als verhältnismässig einfach: «Dank der relativ kurzen Strecke müssen wir für die stündlich zwei Fahrten pro Richtung nur gerade ein Fahrzeug einsetzen. Sollte zudem einmal eine grössere Gruppe in Langnau-Gattikon auf den Ersatzbus umsteigen, würde der Fahrplan selbst eine Zwischenfahrt erlauben.» Gleichzeitig muss der Bus nur einmal pro Woche aufgetankt und gereinigt werden. So kann er über Nacht jeweils am Bahnhof Sihlwald abgestellt werden und es sind keine täglichen Leerfahrten ins Depot notwendig. Beim Bahnhof Sihlwald hat es zudem ausreichend Parkplätze, auf welchen die Chauffeure ihre Autos abstellen können, wenn sie zur Arbeit kommen.

Die Bestimmung des Fahrplans sowie der Fahrrouten und Ersatzhaltestellen gestaltet sich bei der Erarbeitung eines Ersatzverkehrs übrigens weniger aufwendig als man meinen könnte, wie Simon Gemperli erklärt: «Sowohl für die Sihltalbahn S4 als auch für die Uetlibergbahn S10 haben wir jeweils für die gesamte Linie Ersatzfahrzeiten und -haltestellen definiert. Das erlaubt es uns, in unvorhergesehenen Fällen in relativ kurzer Zeit Ad-hoc einen Bahnersatz auf die Beine zu stellen.»

Zahlreiche Anpassungen sind notwendig

Bei einem geplanten und längerfristigen Ersatzverkehr wie demjenigen im Sihlwald gibt es nach der Ausschreibung und der Vergabe des Auftrages eine ganze Reihe weiterer Aufgaben zu erledigen. «Einerseits müssen wir den Ersatzfahrplan in den Onlinefahrplan des ZVV und der SBB importieren, andererseits muss sichergestellt werden, dass die Zugsverbindungen, welche ausfallen, aus dem Onlinefahrplan entfernt werden. Wichtig ist hier, dass diese beiden Schritte möglichst synchron erfolgen, um zu vermeiden, dass Reisende bei einer Fahrplanabfrage falsche oder verwirrende Informationen erhalten», gibt Gemperli zu bedenken.

Angepasst werden müssen zudem sämtliche Durchsagen in den Zügen. Hier gilt es, ein gesundes Mittelmass zu finden. Einerseits sollen betroffene Reisende ausreichend informiert werden. Andererseits sollen beispielsweise Pendlerinnen und Pendler, die täglich auf dieser Strecke unterwegs sind, nicht über ein halbes Jahr an jeder Haltestelle mit Hinweisen zum Bahnersatzverkehr genervt werden. Simon Gemperli dazu: «In diesem Fall werden die Fahrgäste jeweils bei der Abfahrt in Zürich HB und vor der Ankunft in Langnau-Gattikon auf den Bahnersatzverkehr zwischen Langnau-Gattikon und Sihlwald hingewiesen.» Schliesslich müssen an allen Haltestellen jene ausgehängten Fahrpläne ausgewechselt werden, die sich durch den Bahnersatzverkehr ändern. «Am Umsteigeort muss zudem die Haltestelle des Bahnersatzbusses möglichst gut signalisiert sein um sicherzustellen, dass die Fahrgäste unverzüglich und auf direktem Weg vom Zug auf den Bahnersatzbus gelangen» ergänzt Simon Gemperli.

Hinter der Organisation eines Bahnersatzverkehrs steckt also einiges Mehr an Aufwand und Details, als man meinen könnte. Trotzdem ist es für Simon Gemperli selbstverständlich, dass wir unserer Kundschaft bei einer gesperrten Teilstrecke eine Alternative Reisemöglichkeit anbieten: «Unsere Kundinnen und Kunden verlassen sich auf uns und wir unternehmen alles was wir können, um ihnen eine möglichst rasche und komfortable Verbindung zu bieten. Auch wenn das bedeutet, einmal auf einen Bahnersatzbus umsteigen zu müssen.»

Simon Gemperli, Leiter Abteilung Produkt bei der SZU

Simon Gemperli

Simon Gemperli ist Leiter Abteilung Produkt bei der SZU

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