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Auf Pilzsuche im Sihlwald – Ein Erlebnis, für alle Sinne

Ein Pilzkurs im Sihlwald weckt Sammelfieber und Staunen. Vom Mutterkorn bis zu goldenen Eierschwämmen zeigt der Wildnispark Zürich, wie spannend die Suche im Wald sein kann und wie sich der Blick für die Natur verändert.

Tiefhängende Wolkenschwaden liegen noch über dem Sihlwald, als sich an diesem frischen Morgen rund zwanzig Menschen beim Bahnhof Sihlwald einfinden. Die meisten sind ausgerüstet mit kleinen Körben, einige mit Stofftaschen und alle sind gespannt auf das, was sie erwartet. Der Wildnispark Zürich führt einen Pilzkurs durch, ein Angebot für Erwachsene, ausdrücklich auch für Einsteiger:innen.

Noch bevor wir überhaupt im Wald sind, gibt es die erste Überraschung. Ein unscheinbares Süssgras am Wegrand trägt ein dunkles Mutterkorn. Es ist die erste Lektion des Tages: Pilze wachsen nicht nur am Waldboden, sondern auch auf Gräsern und Ähren.

Pilzsuche

Im Schatten mächtiger Bäume beginnt der eigentliche Streifzug. Der Sihlwald ist ein besonderer Ort, denn seit 25 Jahren darf er sich wieder weitgehend ungestört entwickeln und sich gewissermassen zurück zu einem Urwald verwandeln. Für Pilze, Tiere und Pflanzen bedeutet das einen einzigartigen Lebensraum.
Die Kursleitenden, erfahrene Pilz-Experten, die auch Kontrollstellen betreuen, teilen ihr Wissen nicht in trockenen Vorträgen, sondern mitten im Geschehen. «Pilze dreht man am besten vorsichtig heraus», erklärt einer von ihnen, als eine Teilnehmerin einen kleinen Fruchtkörper entdeckt. «Nur so lässt er sich mit Sicherheit vollständig bestimmen.» Alte, schwammige Exemplare oder winzige Jungpilze sollten dagegen besser stehen gelassen werden. Während die Älteren einfach nicht mehr schmecken, ist bei den Jungen die Bestimmung oft zu unzuverlässig und damit die Verwechslung mit giftigen Arten zu riskant.

Ein Beispiel, das vielen in Erinnerung bleiben wird: das harmlose Stockschwämmchen und sein gefährlicher Doppelgänger, der Gifthäubling. Beide wachsen auf Holz, oft sogar am gleichen Stamm. Nur das Stielende verrät den Unterschied und zeigt, wie schnell Sammeln zur heiklen Angelegenheit werden kann.

Bald schon sind die Teilnehmenden vom «Pilzfieber» gepackt. Mit wachen Augen durchstreifen sie das Unterholz, heben vorsichtig Zweige an, spähen unter Blätter. Wer Glück hat, entdeckt zwischen Moos und Farnen kleine Kostbarkeiten: leuchtend gelbe Hörnlinge, winzige Knoblauchschwindlinge, deren Stielende würzig duften, oder einen Perlpilz, dessen Oberfläche matt glänzt. Ein Raunen geht durch die Gruppe, als jemand vier goldene Eierschwämme unter einem Busch findet.

Pilze sammeln

Immer wieder bleiben die Kursteilnehmenden an morschen Baumstämmen stehen. Totholz, so lernen sie, ist ein Eldorado für Pilze. Allein schon auf Buchentotholz wachsen mehr als 250 verschiedene Pilzarten. Am Wegrand tauchen ein Rotfussröhrling, ein flockenstieliger Hexenröhrling und sogar der seltenere Riesen-Scheidenstreifling auf. Jeder Fund ist Anlass für kurze Erklärungen, kleine Geschichten oder Erinnerungen aus früheren Kursen.
Je länger die Gruppe unterwegs ist, desto geschärfter wird der Blick. Wo zuvor nur braune Blätter und feuchter Boden waren, zeichnen sich plötzlich Strukturen ab, kleine Hüte, feine Lamellen, helle Stiele. Fast unmerklich verändert sich die Wahrnehmung des Waldes. Pilze sind nicht länger Nebensache, sie werden zu Protagonisten einer geheimnisvollen Welt.

Ausgelegte Pilze

Kurz vor Mittag versammeln sich alle bei einer Waldhütte. Jede:r legt zwei oder drei Exemplare auf einen grossen Tisch in der Mitte. Bald liegt dort eine bunte Vielfalt, Speisepilze neben ungeniessbaren Arten, auffällige Formen neben fast unscheinbaren Winzlingen. Die Kursleitenden gehen von Fund zu Fund, erklären, riechen an den Hüten, zeigen Bestimmungsmerkmale. Der Geruch, so wird klar, kann ein entscheidendes Kriterium für die Bestimmung sein. Manche Pilze duften nach Knoblauch oder Rettich, andere, weniger angenehm, sogar nach Chlor.
Was man für das Sammeln braucht, ist überschaubar: ein kleines Messer, eine Lupe, ein Korb für die gepflückten Pilze, vor allem aber Geduld und einen wachen Blick.

Pilze

Am Ende des Kurses ist die Begeisterung spürbar. Aus Neugier ist ein geschärftes Auge geworden, aus Zufallsfunden ein tieferes Verständnis. Der Sihlwald hat sich nicht nur als lebendiges Freilichtlabor erwiesen, sondern auch als Ort der Entschleunigung. Wer hier Pilze sucht, entdeckt mehr als nur Essbares. Man entdeckt einen Wald, der Geschichten erzählt.
Und vielleicht sind es gerade diese kleinen Begegnungen mit dem Verborgenen, die den Pilzkurs im Wildnispark Zürich so besonders machen. Denn einmal aufmerksam geworden, wird man den Blick nicht mehr so schnell abwenden vom Boden, vom Moos und von der geheimen Welt der Pilze.

Der Wildnispark Zürich veranstaltet im Oktober noch zwei weitere Pilzkurse, die allerdings bereits ausgebucht sind und für die eine Warteliste geführt wird. Daneben gibt es aber noch eine ganze Reihe weiterer spannender und informativer Veranstaltungen rund um den Sihlwald und dessen Bewohner.

www.wildnispark.ch/veranstaltungen

Verwachsener Weg im Sihlwald

Sommerlicher Spaziergang im Sihlwald

Um in Erfahrung zu bringen, was den Naturerlebnispark Sihlwald vor den Toren Zürichs derart einzigartig macht, erkunden wir das Gebiet gemeinsam mit Mirella Wepf, Projektleiterin Kommunikation für die Stiftung Wildnispark Zürich.

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