Interview mit Florian Heizmann
Florian Heizmann ist Gesamtprojektleiter Bau bei der SZU. Im Interview spricht er über die Umstellung der Stromversorgung der S10.
Was bedeutet die Umstellung der Stromversorgung der S10? Welche Vorteile bringt sie?
Die Umstellung der Stromversorgung auf der S10 stellt in unserer Betriebsgeschichte einen wahren Quantensprung dar. Nach diesem Projekt werden wir für unsere Kundschaft in Zukunft ein noch verlässlicherer Partner in Sachen Pünktlichkeit und Verfügbarkeit sein. Die Modernisierung von Gleich- auf Wechselstrom ist für die SZU nicht nur ein wichtiger Schritt in Bezug auf die Erhöhung der Pünktlichkeit, sondern auch ein Meilenstein für die Harmonisierung der Infrastruktur auf unserem gesamten Netz.
Wie würdest du einem Laien erklären, warum man die Stromversorgung der S10 umstellen muss?
Zwei unterschiedliche Stromnetze in einem Eisenbahnunternehmen stellen sowohl für die Infrastruktur als auch für die Beschaffung und den Unterhalt von Rollmaterial eine grosse Herausforderung dar. Die Vereinheitlichung der Stromversorgung auf unserem kompletten Netz erhöht unsere Effizienz und Betriebsbereitschaft über fast alle Bereiche hinweg. Das hat sowohl einen positiven Einfluss auf den Unterhalt der Infrastruktur, als auch auf die Vereinheitlichung unseres Rollmaterials – also Beschaffung, Wartung, Ersatzteillogistik, Weitergabe von Knowhow usw. werden erleichtert.
Wann werden die Bauarbeiten stattfinden und wie lange dauern diese?
Die Vorarbeiten für die Baumassnahmen sind seit Anfang Februar 2022 im Gange und kommen gut voran. Die Baumassnahmen für die Mastfundamente auf der gesamten Strecke zwischen Giesshübel und Uetliberg werden im Zeitraum von Ende April bis Anfang Juli 2022 stattfinden. Hinzu kommen ab Ende Juli bis Ende August 2022 die eigentlichen Arbeiten an der Stromanlage der Linie S10 zwischen Zürich HB und dem Uetliberg. Von aussen betrachtet wirkt die Dauer der Baumassnahmen sehr lang. Es sind ja «nur» ein paar neue Betonfundamente und Fahrleitungsmasten sowie ein paar Meter Stromleitung zu verlegen. Wenn man sich aber die enormen Mengen der Materialien vor Augen führt, relativiert sich die Dauer der Arbeiten. Insgesamt werden für die 350 neuen Mastfundamente zirka 1150 Kubikmeter Beton verbaut und für die Verankerung der Fundamente werden zirka 2000 Laufmeter Mikropfähle in den Untergrund eingebracht. Zusätzlich werden ungefähr 320 Tonnen Stahl der bestehenden Masten rückgebaut und durch 385 Tonnen Stahl für die Neuerstellung der Fahrleitungsmasten ersetzt. Insgesamt werden zirka 37,5 Kilometer Kettenwerk und Verbindungsleitungen neu verbaut. Das ist eine grosse Menge Material und erfordert eine getaktete Projektplanung.
Wird es zu Sperrungen des Netzes kommen?
Ja, es wird im Rahmen der Baumassnahmen zu Sperrungen und Streckenunterbrüchen kommen. Die Details zu den Sperrungen sind auf unserer Website aufgeführt.
Kann die SZU die Sperrungen nicht vermeiden?
Bei der Projektierung wurde darauf geachtet, dass unsere Kundschaft so wenig wie möglich beeinträchtigt wird. Ganz ohne Streckenunterbrüche und Sperrungen kann eine so komplexe Massnahme jedoch nicht umgesetzt werden. Die vielbefahrene Strecke zwischen Zürich HB und Binz bleibt bis Ende Juli 2022 in Betrieb.
Welche Alternativangebote gibt es für Fahrgäste, die die S10 während den Bauarbeiten nutzen müssen?
Während den Streckensperrungen stehen den Reisenden die Verkehrsmittel der VBZ sowie ab Triemli ein Schienenersatzverkehr in Richtung Uetliberg und zurück zur Verfügung.
Vor welchen anderen Herausforderungen stehst du?
Die Bahnlinie auf den Uetliberg gehört zu den steilsten Normalspur-Adhäsionsbahnen Europas. Eine Adhäsionsbahn ist eine Eisenbahn, deren Antrieb allein über die Haftreibung der Räder, also ohne Zahnräder, erfolgt. Die Topografie der Bahnlinie und die dadurch verbundenen Rahmenbedingungen benötigen ein ausgeklügeltes Konzept für die gleisgebundene Logistik der Baumassnahme. Nicht nur topologisch, sondern auch aus geologischer Sicht ist der Untergrund des Uetlibergs eine Herausforderung für die Ingenieure und die ausführenden Baumeister. Besonders erwähnenswert ist die Entwicklung des Bauwerks der Friesenberg-Kreuzung, wo sich die Bahnlinie mit der Friesenbergstrasse und der darauf verkehrenden Buslinie der VBZ kreuzen. Damit auch in Zukunft der Trolleybus der VBZ die Bahnlinie ungehindert überqueren kann, wurde ein schweizweit einmaliges Kreuzungssystem entwickelt. Die grösste Herausforderung der Problemstellung war dabei, die in Zukunft unterschiedlichen Stromsysteme der VBZ (Gleichstrom) und der SZU (Wechselstrom) in einem Bauwerk und System zu vereinen.
Wie lange wurde dieses Projekt schon geplant?
Die reine Projektierungsphase für die Baumassnahmen hat bereits im Jahr 2017 begonnen. Jedoch wurden schon zu einem viel früheren Zeitpunkt konzeptionelle Lösungsansätze ausgearbeitet, da auf der einen Seite unser Bauprojekt und auf der anderen Seite die Beschaffung der neuen Züge der Linie S10 abgestimmt und koordiniert werden mussten. Die Be 520-Züge, die Richtung Uetliberg verkehren, werden nach der Umstromung ausser Betrieb genommen, da diese nur in einem Gleichstromnetz verkehren können.
Wie gross ist das Team, das du führst? Wie setzt sich dieses zusammen?
Entsprechend der Komplexität eines solchen tiefgreifenden und interdisziplinären Projektes setzt sich das Projektteam über alle Abteilungen der SZU hinweg aus einer Vielzahl von internen und externen Fachspezialisten der Bereiche Markt, Betrieb, Rollmaterial, Finanzen und Infrastruktur zusammen.
Kannst du uns einen Ausblick auf die nächsten Jahre geben? Welche Modernisierungen stehen noch an?
Die Massnahmen für die Umstromung werden im Jahr 2022 abgeschlossen sein. Jedoch sind für die Sicherstellung der barrierefreien Zugänge, die Erhöhung der Pünktlichkeit und die Instandhaltung der Infrastruktur auf der Linie S10 in den nächsten Jahren noch weitere Baumassnahmen notwendig.
Florian Heizmann, Projektleiter Bau bei der SZU
Florian Heizmann
Florian Heizmann ist Projektleiter Bau bei der SZU. Er leitet das Schlüsselprojekt der Umstellung der Stromversorgung der S10.