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«Die Ausbildung Lokführer:in hat sich stark verändert»

Im September startete wieder ein neuer Lehrgang Lokführer:in der SZU. Wie die Ausbildung aufgebaut ist und welche Elemente wichtiger geworden sind, erzählt Jessica Crivelli, Kompetenzmanagerin bei der SZU.

Wie ist der Lehrgang zum Lokführer:in der SZU aufgebaut?

Wir starten neu mit einer Einführungswoche, also einem Onboarding. Anschliessend folgt ein dreimonatiger, mehrheitlich theoretischer Teil. Der Unterricht findet von Montag bis Freitag, jeweils von 8 bis 17 Uhr überwiegend in den SZU-Räumlichkeiten statt. In dieser Phase geht es um das allgemeine Bahnwissen, das immer einen Bezug zu unserem Unternehmen hat. Die spezifischen Betriebsvorschriften behandeln wir dann im zweiten Teil der Ausbildung.

Was erwartet die angehenden Lokführer:innen während der Einführungswoche? 

Während dieser Zeit erhalten die neuen Mitarbeitenden ihre Arbeitskleidung, die technischen Geräte und die notwendige Ausstattung. Zudem besuchen sie den SZU-Willkommenstag, um die Geschäftsleitung und die Kultur der SZU kennenzulernen. Gleichzeitig verschaffen sie sich einen Überblick über die SZU-Räumlichkeiten und Personen: Wo finde ich was, wer ist für welche Themen zuständig, wie funktioniert die SZU im Alltag? So schaffen wir eine gute Basis, bevor die eigentliche Ausbildung beginnt. 

Wie lange dauert es, bis die Teilnehmenden zum ersten Mal selbst im Führerstand sitzen?

Grundsätzlich sitzen sie bereits in den ersten Wochen am Tischsimulator. Im realen Führerstand sind sie dann im Praxisteil nach drei bis vier Monaten. Dabei geht es um die Streckenkunde, unsere Fahrzeuge, Signale und natürlich um die betrieblichen Vorschriften der SZU. Die Praxisphase ist besonders wertvoll: Während rund eines Monats wenden die angehenden Lokführer:innen ihr Wissen direkt im Betrieb an. Je nach Ausbildungsstand fahren sie schon früh mit einem:einer Lehrlokführer:in. 

Nach der Ausbildung folgt die entscheidende Prüfung: Die Teilnehmenden fahren mit einem internen Prüfungsexperten, der beim Bundesamt für Verkehr ausgebildet und regelmässig überprüft wird. Er beurteilt, ob die Person prüfungsreif und für den Einsatz im regulären Betrieb bereit ist.

Wie lange dauert die gesamte Ausbildung zum:zur Lokführer:in bei der SZU?

In der Regel dauert die Ausbildung sechs Monate, in Einzelfällen etwas länger. 

Simulatoren sind ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung. Wie werden sie in die Ausbildung integriert?

Von Anfang an arbeiten wir mit sogenannten Tischsimulatoren unseres Bildungsanbieters. Damit lassen sich erste Abläufe sehr gut üben, zum Beispiel wie ein Führerstand grundsätzlich funktioniert. Später kommen dann Sequenzen am SZU-eigenen Simulator dazu. Dort können die angehenden Lokführer:innen in einem geschützten Rahmen noch einmal gezielt trainieren. Zusätzlich nutzen sie in den ersten drei Monaten während drei Tagen die Simulatoren in den Räumlichkeiten des Bildungsanbieters.

Welche Voraussetzungen braucht jemand, um Lokführer:in zu werden? 

Grundsätzlich ist ein einwandfreier Leumund erforderlich, damit wir den Auftrag zur sicheren Beförderung unserer Fahrgäste erfüllen können. Dafür braucht es einen Strafregister-Auszug. Vor dem Vertragsabschluss finden zudem medizinische und psychologische Tauglichkeitsprüfungen in Form spezifischer Abklärungen statt. Psychologisch braucht es die Bereitschaft und Belastbarkeit für den Schichtdienst mit unregelmässiger Arbeitszeit, die Fähigkeit, mit Monotonie umzugehen und die ständige Lernfähigkeit. Körperlich braucht es eine gute Grundfitness und es darf  keine Farbenblindheit vorliegen. 

Was ist das Besondere an den Strecken der SZU im Vergleich zu anderen Bahnunternehmen?

Unsere Strecken sind einzigartig: Einerseits bedienen wir nur zwei Linien, andererseits verlangen die Strecken höchste Aufmerksamkeit. Wir bewegen uns in einem urbanen Umfeld mit zahlreichen Haltestellen und Bahnübergängen. Dazu sind wir durch weitere besondere Bedingungen gefordert – etwa der Nähe zur Sihl oder der starken Steigung auf den Uetliberg, wo auch Tiere unterwegs sind. Gleichzeitig befördern die Lokführer:innen bei uns täglich ein Mix aus Pendler:innen, Tourist:innen und Anwohnenden. Das macht die Aufgabe sowohl abwechslungsreich als auch anspruchsvoll. 

Wie hat sich das Berufsbild des Lokpersonals verändert in den letzten Jahren? 

Momentan erleben wir tatsächlich einen grossen Wandel. Heute haben wir deutlich mehr Quereinsteiger:innen als früher. Wer bereits eine Ausbildung als Lokführer:in abgeschlossen hat, muss bei uns nur noch den SZU-spezifischen Teil der Ausbildung absolvieren. Der Anteil an Kolleg:innen, die schon lange im Beruf sind, nimmt jedoch tendenziell ab. Ob Lokführer:innen künftig noch 30 Jahre im gleichen Unternehmen bleiben, wie es früher oft der Fall war, ist offen. Auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen haben sich stark verändert. Es gibt heute viel mehr Vorgaben, gleichzeitig aber auch neue Freiheiten. 

Dazu kommt der technologische Wandel. Früher musste man sehr genau wissen, wie das Fahrzeug im Detail funktioniert, um im Notfall kleine Reparaturen selber machen zu können. Dass das Lokpersonal nebenbei noch selbst an der Lokomotive schraubt, sieht man heute praktisch nicht mehr – allein schon wegen der strengen Reglemente. Heute steht das Fahren nach klaren Prozessen, die Automatisierung und der sichere und pünktlichen Transport unserer Fahrgäste im Vordergrund. Die Verantwortung ist die gleiche geblieben, aber die Rolle hat sich in Richtung Prozessführung und Systembedienung verschoben.

Und wie hat sich die Ausbildung an diese Veränderungen angepasst?

Die Ausbildung ist heute weniger stark technisch geprägt als früher. Es geht nicht mehr darum, jedes Detail eines Fahrzeugs reparieren zu können, sondern darum, ein ganzheitliches Verständnis zu entwickeln und das Wissen in der Praxis anzuwenden. Das hängt auch mit den neuen Fahrzeugen zusammen, die automatisierter und prozessgesteuerter sind. 

Ausserdem haben wir das Programm erweitert und angepasst: Die Onboarding-Woche ist neu, und die Tage am Simulator wurden erhöht. Dazu kommen weitere Kursmodule wie der Schutz der eigenen Person, die Grundlagen des Arbeitszeitgesetzes oder der BLS-AED-Kurs zum Umgang mit dem Defibrillator. Wichtig ist uns, dass unsere Mitarbeitenden im Notfall auch Erste Hilfe leisten können. Genauso sind Stressprävention, Brandprävention und Kundenorientierung feste Bestandteile der Ausbildung geworden. 

Lokführer:innen müssen heute nicht nur sicher fahren können, sondern auch gut mit Menschen umgehen können und in besonderen Situationen wissen, was sie tun müssen.

Die Ausbildung richtet sich an Quereinsteiger:innen. Wie werden diese begleitet?

Die Quereinsteiger:innen bringen ganz unterschiedliche berufliche Hintergründe mit. Von Gastronomie über Detailhandel zu Archäologie, Transportwesen ist querbeet alles dabei. Damit wir alle gut abholen, haben wir neu drei Standortbestimmungen in den Lehrgang eingebaut. So können wir die Lernenden eng begleiten und frühzeitig zu erkennen, wenn Schwierigkeiten auftreten. Dies erlaubt uns, gemeinsam Massnahmen zu ergreifen, bevor sich Probleme verfestigen. Unser Ziel ist es, dass alle erfolgreich durch die Ausbildung kommen. Denn gerade für Quereinsteiger:innen ist es wichtig, dass sie gezielt unterstützt werden und die Chance haben, ihre Stärken einzubringen.

Was ist besonders herausfordernd für Quereinsteiger:innen?

Eine grosse Hürde ist sicher die Fachsprache. Die sogenannte «Bahnsprache» und auch das Verordnungsdeutsch der Gesetze sind für viele am Anfang schwer verständlich. Und der Übergang von der Ausbildung in die Arbeit ist oft kritisch: Nach etwa sechs Monaten haben die Lernenden eine Phase intensiver Begleitung hinter sich – sowohl im Klassenverband als auch mit einer:einem Lehrlokführerin an der Seite. Dann stehen sie zum ersten Mal allein im Führerstand. Dieser Übergang ist für viele besonders anspruchsvoll, weil plötzlich die ganze Verantwortung bei ihnen liegt. Wir prüfen deshalb, wie wir diese Phase besser begleiten und die Vernetzung untereinander stärken können. 

Was ist das Schöne daran, die Ausbildung zu begleiten? 

Im Vergleich zu anderen Stellen begleiten wir die Lokführer:innen ab der Bewerbung bis zum ersten richtigen Arbeitstag sehr lange. Rund sieben Monate vor Ausbildungsstart starten wir mit der Planung und Rekrutierung des neuen Lehrgangs. Nach der Stellenausschreibung dauert der Rekrutierungsprozess oft bis kurz vor Lehrgangsstart. Aktuell nehmen wir bis zu sechs Leute in einer Klasse auf. Vom Kennenlernen über die Ausbildung bis zur Prüfung dauert es also rund ein Jahr. Wenn wir dann diese Menschen im Führerstand sehen und zuschauen, wie sie den Zug führen, ist das wirklich ein besonderer Moment. Für uns ist es sehr schön zu sehen, wenn sie erfolgreich und sicher unterwegs sind. 

Personen

Jessica Crivelli Kompetenzmanagerin Ausbildung Lokführer

Jessica Crivelli

Jessica Crivelli ist Kompetenzmanagerin bei der SZU und unterstützt unsere Mitarbeitenden in ihrer persönlichen Entwicklung. Als leidenschaftliche Personalentwicklerin ist sie überzeugt, dass Entwicklungsmöglichkeiten die Attraktivität des Unternehmens steigern und dem Unternehmen einen grossen Mehrwert bringen.

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